Die sichere Maschine - Interview mit Intertek-Experte Dirk Dudziak
20 Apr. 2020
Weltweit gültige Normen - das wäre für viele Exporteure von Maschinen, Anlagen und Geräten jeglicher Art ein Traum. Es würde so vieles vereinfachen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Denn obwohl IEC- und ISO-Normen weltweit eine hohe Beachtung erfahren, sind es letztendlich doch „nur“ etwa 100 Länder, die mit den von diesen Organisationen festgelegten Reglements für die Bereiche Elektrik, Elektronik oder Mechanik arbeiten. In Europa sind EN-Normen ein Wort. Dennoch sind auch diese aufgrund der nationalen Abweichungen in den Normen der jeweiligen Länder, z. B. DIN-Norm oder Ö-Norm, unterschiedlich geregelt.
Intertek liefert
mit einem Netzwerk von mehr als 1.000 Laboren und Büros und über 46.000 Mitarbeitern/innen
in mehr als 100 Ländern weltweit innovative und maßgeschneiderte Qualitätssicherungs-,
Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungslösungen. Dirk Dudziak ist Experte für die
Region Nordamerika. Bei Fachvorträgen für die IHK Hannover lernte er mehrfach
den akuten Informations- und Dienstleistungs-Bedarf exportierender IHK-Mitgliedsunternehmen
kennen, um konforme Produkte für die USA zu entwickeln und zu exportieren.
„Je nachdem, in welchem Teil der Welt Maschinen laufen oder elektrische Geräte eingesetzt werden, müssen sie unterschiedliche Ansprüche an die Sicherheit erfüllen“, fasst Dirk Dudziak (DDU), Area Sales Manager Electrical bei der Intertek Deutschland GmbH, zusammen. „Die USA sind für Maschinen- und Anlagenbauer einer der attraktivsten Absatzmärkte. Bezüglich Standards, Sicherheitsprüfungen und Zertifizierungen gelten jedoch diverse Besonderheiten. Die USA haben sehr häufig ihre eigenen Regeln.“
OSHA, NRTL-Label oder AHJ - das sind Begriffe, über die exportierende Unternehmen oft stolpern, wenn sie sich mit den Zulassungen ihrer Maschinen und Geräten in den USA beschäftigen…
DDU: Die Occupational Safety and Health Organisation (OSHA) legt Sicherheitsanforderungen an den Arbeitsplatz fest und akkreditiert die NRTL. NRTL steht für National Recognized Testing Laboratory - also ein Labor, das elektrische Geräte, Einrichtungen, Materialien sowie Verfahren approbiert und durch das Anbringen eines anerkannten Labels dokumentiert. Die drei größten NRTL in USA sind UL, Intertek (ETL) und CSA. Bei der Authority Having Jurisdiction (AHJ) handelt es sich um eine lokale Behörde, die dem Anlagen- oder Maschinenbetreiber die Zulassung für den Anschluss von elektrischen Anlagen genehmigt. Sie kann ihre Zustimmung von der Untersuchung und erfolgreichen Abnahme mit Labeling durch ein NRTL abhängig machen.
Das war es aber noch nicht, oder?
DDU: Leider nicht. Es gibt diverse weitere Vorschriften, die deutsche Lieferanten zu beachten haben. Die geben übrigens oft wieder andere Institutionen heraus. Den National Electrical Code (NEC) zum Beispiel, oder die Vorschriften der National Fire Protection Association für elektrische (Gebäude-) Installationen und Geräte. Das American National Standards Institute (ANSI) akkreditiert Standards, die Federal Communications Commission (FCC) prüft die Verträglichkeit Radio, Fernsehen, Satellit und Kabel. Und auch mit diesen Beispielen ist die Liste noch nicht komplett.
Europäische Hersteller von elektrischen Maschinen und Komponenten kennen oft nicht die Bestimmungen, die in den einzelnen US-amerikanischen Bundesstaaten oder den örtlichen Behörden nach den Auflagen der OSHA oder der AHJ gelten. Diese Hürde ist aber zu nehmen! Gerade die Rolle des AHJ im Genehmigungsprozess kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn vom AHJ erhält der Betreiber letztendlich die Zulassung für den Anschluss von elektrischen Anlagen.
Viele AHJ und Endkunden verlangen die Zertifizierung oder ein Field Labeling mit Zertifizierungs-Zeichen durch ein anerkanntes NRTL. Tun sie das allein, um sich rechtlich abzusichern?
DDU: NRTL-Label oder Field Labeling, da gibt es Unterschiede. Das Listing oder die Typ-Zertifizierung kommt für Produkte, die in größerer Stückzahl und über einen längeren Zeitraum produziert und geliefert werden sollen, in Betracht. Laborgeräte oder Kaffeemaschinen zum Beispiel. Für Sonderanfertigungen oder Einzellieferungen in die USA gibt es weitaus weniger komplexe und kostenreduzierte Möglichkeiten, das NRTL-Zeichen zu erhalten.
In den USA gibt es unterschiedliche Arten von
Stromkreisen; Symbole im Schaltplan unterscheiden sich von den europäischen
Symbolen. Gibt es weitere Unterschiede, über die Hersteller aus der DACH-Region
immer wieder stolpern?
DDU: Falsche
Auswahl und Dimensionierung der Komponenten oder falsche Verdrahtung der Aderfarben
sind häufig vorkommende Fehler. Oder die Querschnittsauslegung. Oft wird auch
nicht korrekt geerdet oder ein komplett falscher Standard angesetzt. Es ist
sinnvoll, bestimmte Normen bereits in der Produktentwicklung zu
berücksichtigen. In Sachen Spannung oder Anschlüsse zum Beispiel.
Ein guter Rat?
Sich externe
Fachleute ins Haus zu holen, sie zu Normenfragen und Prüfungen befragen,
empfiehlt sich unterm Strich immer. Intertek berät hier gerne, unterstützt mit
Fachleuten auch entwicklungsbegleitend. Und: Gerade in Europa sehen wir die
Bemühungen, Richtlinien zum Betrieb und zur Konstruktion von Maschinen
und Anlagen zu vereinheitlichen. Also: „Never stop dreaming!“
Weitere Informationen zum Thema Zertifizierung finden sich unter anderem auf unserer Internetseite und im White-Paper „Optionen für den Maschinen- und Anlagenbau: Einzelabnahme und Fieldlabeling für USA und Kanada“
Die IHK Hannover bietet Unternehmern regelmäßig Veranstaltungen rund um den Eintritt und die Bearbeitung des US-Marktes an. Gemeinsam mit Intertek in Deutschland sind unter anderem weitere Workshops zu den Themen Zertifizierung & Maschinensicherheit sowie der California Proposition 65 (Cal Prop 65) geplant. Kontakt: Pia-Felicitas Homann, Länderreferentin Nord-, Mittel- und Südamerika, Tel: 0511 3107 289, E-Mail: homann@hannover.ihk.de.